Aus der Zeitschrift HRVATSKI! 2/2025, Seite 62
Dieser Artikel befindet sich hier im Blog auf Deutsch. Vergleichen Sie die kroatische und deutsche Version dieses Interviews, indem Sie die Zeitschrift HRVATSKI 2/2025 auf der Seite 62 aufschlagen.
KROATISCH LERNEN MIT KI: EFFIZIENTER, SMARTER, INDIVIDUELLER
UČITE HRVATSKI S UMJETNOM INTELIGENCIJOM: UČINKOVITIJE, PAMETNIJE, INDIVIDUALNIJE
Ist es möglich, Kroatisch oder eine andere Fremdsprache mithilfe künstlicher Intelligenz zu lernen? Welche Vorteile bietet das Kroatisch-Lernen (oder das Lernen einer anderen Fremdsprache) mithilfe von KI? Und was sind die Nachteile? Welche KI-Tools eignen sich ideal zum Sprachenlernen? Und wie wichtig ist die Interaktion mit einem Lehrer oder einem Muttersprachler?
Die Antworten auf diese Fragen hat Sylvie Rumler für uns aufbereitet. Sie lebt seit kurzem in Kroatien und lernt Kroatisch auf verschiedene Arten, unter anderem mithilfe von KI. Schauen Sie unten nach, ob Sylvies Beispiele etwas sind, was Sie eventuell ausprobieren möchten.Vermerk: Die Entwicklung der KI schreitet sehr schnell voran. Inzwischen könnte es Änderungen bezüglich der hier genannten Informationen gegeben haben.
Die Herausforderungen beim Kroatisch lernen
Kroatisch zu lernen ist schwer, sehr schwer. Ich lebe seit Ende Oktober in Südosten Istrien und lerne die Sprache jetzt natürlich noch intensiver. Ich gehöre zu den Menschen, die Grammatik mögen, und Latein und Altgriechisch in der Schule, helfen da sehr, die Sprachen die auch Fälle wie Kroatisch haben. Auf der anderen Seite kann ich schlecht Details hören, also auch nicht, ob ein Vokal länger ausgesprochen wird als üblich und ich habe eine leichte Legasthenie, was die Unterscheidung von i, j, lj, nj, inj etc. manchmal unmöglich erscheinen lässt. In der Summe bin ich also nicht besser oder schlechter dran als andere deutschen Muttersprachler – bis auf eines: ich lerne Kroatisch mit Künstlicher Intelligenz (KI). Wie und worauf man dabei achten sollte, will ich in diesem Artikel erzählen.
Exkurs: Die Gefahren und ethischen Herausforderungen von KI
Wann immer in diesem Artikel von Künstlicher Intelligenz (KI) gesprochen wird, sind damit Tools gemeint, die für private Nutzer im Internet zur Verfügung stehen, meistens sogenannte ChatBots, wie zum Beispiel ChatGPT, und deren herausstechendes Merkmal es ist, dass sie neue Texte erzeugen können. Im Kroatischen lautet die Abkürzung für die künstliche Intelligenz UI, häufiger wird aber auch die englische Abkürzung AI verwendet.
Bevor es jetzt inhaltlich losgeht, möchte ich aber noch ein paar grundlegende Gedanken zur Nutzung von KI loswerden. Man sollte vor der Nutzung von KI immer eine Art Check mit sich selbst machen, überlegen, ob man ausreichend über KI, ihre Arbeitsweise und ihre negativen Seiten weiß und ob man KI dann bewusst anwenden möchte. KI hat sich zwar in unser Leben geschlichen, aber sie ist keineswegs harmlos.
Zunächst zur Arbeitsweise: die heutigen KI Tools im Sinne von ChatBots, können nicht denken und haben weder Persönlichkeit noch Bewusstsein. Es sind statistische Berechnungen von Wahrscheinlichkeiten, welches Wort als nächstes kommt. Die Entwicklung der ChatBots wurde aber mit solch unglaublichen Datenmengen betrieben, dass uns die Ergebnisse oft unwahrscheinlich gut vorkommen. Ein ChatBot kann Gedichte kreieren, ist in der Regel höflich, hat auf alles eine Antwort, kann verschiedene Sprachniveaus in allen möglichen Sprachen sprechen, und ist grenzenlos geduldig. Allerdings sind seine Ergebnisse immer Folgen einer statistischen Berechnung und keine einzige Antwort eines ChatBots darf per se für wahr gehalten werden. Die ChatBots wurden programmiert, damit wir in menschlicher Sprache mit ihnen kommunizieren, sie wurden programmiert uns eine Antwort zu geben, auch wenn es keine Grundlage dafür gibt. Ein ChatBot wird lieber falsch antworten als zu sagen, dass er etwas nicht weiß. Warum sollte man dann mit einem so unzuverlässigen ChatBot kommunizieren? Nun wenn man das immer im Hinterkopf behält, kann man unglaublich viel aus dieser Kommunikation ziehen. Und wie? Ich will es Ihnen im Folgenden zeigen. Je mehr man vom Thema weiß, je kritischer man ist, desto mehr Nutzen hat man von der Arbeit mit der KI.
Leider gibt es noch andere negativen Hintergründe, die man sich klar machen muss. Die Entwicklung und das Betreiben von KI verschlingen enorme Ressourcen in Form von Strom. Dabei wird Strom genommen, der vorhanden ist, ohne Rücksicht, ob der Strom aus fossilen Brennstoffen kommt oder grüner Strom ist. Hinzu kommt, wir haben es meistens mit privaten Firmen zu tun, die – mangels Gesetzgebung – so ziemlich alles machen können, was sie wollen. Dabei sind sie intransparent und erklären nicht im Detail, wie ihre Modelle arbeiten. Sie können auch ihre Angebote gestalten, wie sie möchten, zum Beispiel auf einmal Geld für die Nutzung verlangen, bestimmte Angebote in bestimmten Ländern nicht anbieten, die Angebote wieder beenden. Es gibt auch Bedenken, dass die Daten, die zum Trainieren der KI betrugen, eigentlich unrechtmäßig genutzt wurden. Es gibt Berichte, dass zum Feintunen der KI Menschen in ärmeren Ländern eingesetzt und ausgebeutet wurden. KI ist in der Welt und wird bleiben, aber sie ist nicht harmlos. Wie bei vielen „Errungenschaften“ der modernen Welt ist es leider so, dass eine Ablehnung und Nicht-Nutzen dem Einzelnen schaden. Man kann sich entscheiden KI zu nutzen, aber man sollte die Hintergründe kennen.
Bezahlte und nicht-bezahlte Version
Ich habe für diesen Artikel ein neues Konto (E-Mail erforderlich) erstellt und bewusst die kostenlose Version genutzt. Da ich ChatGPT aber auch für viele andere Dinge nutze, verwende ich normalerweise die Pro-Version, die ca. 24 Euro im Monat kostet, auch monatlich kündbar. Die Unterschiede zwischen der kostenpflichtigen und kostenlosen Version bestehen zum Beispiel darin, dass die unbezahlte Version eine schwächere Fassung der dahinterliegenden Technologie nutzt, dass man bei Überlastung eher warten muss, als die, die zahlen, das kann auch einmal eine lange Pause oder das Warten auf eine Antwort von mehreren Stunden bedeuten. Man hat keinen Zugriff auf fortgeschrittene Features, wie zum Beispiel die Möglichkeit per Sprache mit der KI zu kommunizieren oder Bildgenerierung. Ich denke aber, dass man mit der unbezahlten Version sehr gut auskommt. (dass für den Anfang die unbezahlte Version völlig ausreicht).
Fertige Sprachlern-Apps vs. generative Programme wie ChatGPT
In diesem Artikel sollen konkrete Möglichkeiten gezeigt werden, wie man mit ChatBots (hier: ChatGPT in der kostenlosen Version) besser und effizienter Kroatisch lernen kann. Daneben gibt es auch die Möglichkeit, fertige Sprachlern-Apps zu nutzen. Es gibt zum Beispiel TalkPal oder Teacher AI; ohne Wertung, da eine Beurteilung dieser Tools diesen Artikel sprengen würde. Diese fertigen Apps verfügen über verschiedene Features zur Konversation, bieten aber immer nur das an, was die Hersteller sich ausgedacht haben, und sind kostenpflichtig. Mit einem ChatBot wie ChatGPT oder Claude, Google Gemini, Mistral AI etc., ist man ungebundener und kann viel genauer nach seinen eigenen Bedürfnissen lernen.
Buch zum Thema
Und es gibt ein ganzes Buch zu dem Thema, das ich bei der Recherche für diesen Artikel zufällig gefunden habe. Kroatisch mit Chat GPT: Lernen mit Künstlicher Intelligenz als dein persönlicher Sprachcoach Taschenbuch – 16. November 2024 von Laurenz Karger (Autor), auch als Kindle und mit festem Einband erhältlich.
Ich habe es gelesen und finde es recht gut, ich habe überlegt, ob sich dann mein Artikel noch lohnt, aber ich denke, dass sich nicht jeder das Buch kaufen wird. Außerdem, ich habe ja doch durch meine aktuelle Erfahrung jetzt in Kroatien eine persönlichere Sichtweise.
Meine konkreten Beispiele: Wie ich KI zum Kroatisch lernen nutze
Nun aber zum eigentlichen Thema. Wie kann ich nun mit einem ChatBot besser kroatisch lernen? Ich habe die Methoden zur leichteren Orientierung in Kategorien eingeteilt.
KI als Erklärungshilfe
Die kroatische Grammatik ist bekannterweise recht komplex. Es gibt nicht nur viel mehr Wörter, die in Fall, Geschlecht und Numerus angepasst werden müssen, es gibt auch sehr viele Ausnahmen. Zusätzlich dazu gibt es immer und überall die Veränderung der Laute (aus g wird zum Beispiel ž), es werden Buchstaben weggelassen (flüchtiges a) und dann noch das ungewohnte Thema der vollendeten und unvollendeten Verben.
Einfaches Auswendiglernen hat sich für mich nicht bewährt. Aber sobald ich eine Erläuterung habe, werden einige grammatikalische Eigenarten verständlich und dann auch „lernbar“, also behaltbar.
Beispiel: „Erkläre mir den Unterschied zwischen puno und mnogo und gib mir je 5 Beispielsätze“ oder „Dekliniere mir dijete“ in Singular und Plural und erläutere mir die Besonderheiten“.
Oder was ist der Unterschied zwischen „svaki dan“ und „svakog dana“, oder „Kannst du mir eine Lernhilfe für die Jahreszeiten geben, anhand der Wortbedeutung im Kroatischen?“ Man beachte auch, dass der ChatBot sehr motivierend ist, oft beginnt er seine Antwort mit der Bemerkung „Ja, das ist eine super Idee“ oder „Das ist eine gute Frage“.
Nach der Antwort fragt der ChatBot dann normallerweise: „Hoffe, das hilft! 😊 Hast du noch Fragen dazu?“ oder „Hoffe, das macht es klar! 😊Hast du ein konkretes Beispiel, bei dem du unsicher bist?“ Und das sollte man nutzen, wenn man tiefer eintauchen möchte.
Hier sind die Grenzen nur durch die eigene Fantasie gesetzt. Allerdings: nicht alle Antworten sind richtig. Der ChatBot antwortet immer im Brustton der Überzeugung. Hier hilft nur: gegen-checken mit verlässlichen Quellen, im Unterricht eine/n Muttersprachler fragen und kritisch bleiben. Es sind nur maschinengenerierte Antworten. Ich bin dazu übergegangen, die Antworten, die ich gegenchecken konnte und für richtig erachte, in einem extra Lernheft (digital) zu speichern. Wenn man mitten in der Konversation merkt, dass der ChatBot etwas Falsches sagt, kann man – und sollte man – ihn darauf ansprechen, damit die folgende Unterhaltung nicht auf falschen Voraussetzungen beruht. Auch der ChatBot lernt schnell und sieht Fehler immer ein.
Wenn sich jetzt einige fragen, ob es sich lohnt, mit einem ChatBot zu lernen, der im Brustton der Überzeugung auch falsche Sachen sagt: meines Erachtens ja, durch das Gegenchecken vertieft man den Stoff noch mehr, die richtigen Antworten überwiegen (meiner Einschätzung nach sind 95% richtig) und der Spaß mit ihm interaktiv zu lernen überwiegt einfach.
KI hilft beim Lesen und Übersetzen
Wenn ich eine kroatische E-Mail erhalte, lasse ich lieber den ChatBot übersetzen als Google Translate, das nicht einmal Singular – Plural, Femininum – Maskulinum oder Du und Sie auf anhieb richtig macht. Da ist der ChatBot viel genauer. Besonders liebe ich es, ihn zu bitten, einen kroatischen Text „wortwörtlich“ zu übersetzen. Da wird einem viel über die Satzkonstruktion des Kroatischen deutlich. Eine weitere hilfreiche Möglichkeit ist es, dem ChatBot einen kroatischen Text zu geben und ihn zu bitten, hinter jedem Wort oder hinter jedem Substantiv oder Verb in Klammern die Form zu identifizieren. Man kann das ganz genau einfordern, zum Beispiel: „ich habe hier einen Text, kannst du bitte hinter jedem Wort die Form grammatikalisch angeben: [Text eingeben]“. Man kann auch Texte erstellen lassen, und zwar in verschiedenen Schwierigkeitsgraden, zum Beispiel: „Bitte schreibe mir einen kroatischen Text von 10 Sätzen für A1 Niveau zum Thema „Frühlingsanfang“.
KI erstellt Übungen für genau bestimmtbare Themen
Wenn dann etwas Neues gelernt wurde, muss es geübt werden. Auch hier erweist sich der ChatBot als sehr hilfreich. Man ist nicht auf Lehrbücher angewiesen, die ihre eigene Didaktik verfolgen. Beispiel: „Ich möchte das Personalpronomen üben, aber nur maskulin in Singular und Plural. Bitte gib mir 10 einfache Sätze auf Deutsch, in denen ein entsprechendes Personalpronomen vorkommt und lasse es mich schriftlich übersetzen. Bitte Satz für Satz und nach jedem Satz eine knappe Bewertung.“ Das ist zielgerichtet und macht richtig Spaß, zumal der ChatBot immer gut gelaunt, geduldig und motivierend ist.
KI Audio Konversation
Besonders hilfreich ist die Möglichkeit mit mobilen Devices den ChatBot direkt als Konversationspartner einzuspannen. Beispiel: „Ich möchte mit dir eine Konversation mit meiner Vermieterin üben“ – Super! Wie möchtest du es machen? Soll ich deine Vermieterin spielen, oder möchtest du mir Sätze geben, die wir zusammen verbessern?“ Und nach dem Gespräch werden alle Texte schriftlich sichtbar und können kopiert werden. Es ist schon ein bisschen so, als hätte man seinen Kroatischlehrer/in immer dabei.
KI Plus Feature: eigene GPTs
Die bisher genannten Beispiele sind mit der kostenlosen Version von ChatGPT erprobt worden. Ich möchte hier aber noch eine Möglichkeit vorstellen, die nur in der bezahlten Version besteht. Man kann nämlich eigene GPTs erstellen, das bedeutet ich kann mir mehrere gespeicherte Bots erstellen, rein durch Texteingabe und Beschreibung, ohne Programmierung. Ich habe zum Beispiel einen Bot „Höflicher Kroatisch Übersetzer“ („Übersetzer der kroatischen Sprache für offizielle/höfliche Ansprache“) erstellt, der jeden Text, den ich eingebe, in die jeweils andere Sprache übersetzt, er stellt also selbst fest, ob ich deutsch oder kroatisch benötige, er benutzt immer die Sie-Form und er ist besonders höflich. Ein anderer Bot, den ich „Kroatisch Lehrer“ genannt habe, kennt meinen Kenntnisstand, meine Vorliebe für Grammatik und antwortet entsprechend auf meine Fragen, ohne dass ich diese Vorgaben jedes Mal eingeben müsste. Ein weiterer „wortwörtlicher Übersetzer“ macht genau das, er übersetzt wortwörtlich, was bei einigen Idioms sehr hilfreich ist. Und mein Bot „Kroatische Analyse“ gibt mir jeden kroatischen Text in der Form zurück, dass alle Worte nach Wortart, Fall, Genus bzw. Verbform, Infinitiv, Partizip etc. aufgeführt sind.
Fazit
Meine Empfehlung ist, sich bestimmte abgegrenzte Themen auszusuchen, die man bearbeiten bzw. lernen möchte. Dann kann man sich mit dem ChatBot das Thema erarbeiten und mit Hilfe von Büchern oder Muttersprachlern/innen absichern. Anschließend kann man mit dem ChatBot ganz gezielt Übungen erstellen und so lange üben, bis das Thema sitzt. Man kann die Gespräche kopieren und in der bevorzugten Software speichern oder drucken und sich so ein individuelles Lehrbuch erstellen. Es ist auch wichtig, sich über sein eigenes Lernverhalten Gedanken zu machen. Je besser man weiß, wie man gut lernt, desto mehr kann einen der ChatBot unterstützen, da er so individuell einzustellen ist.