Interview mit Annika Senger – Intervju s Annikom Senger

Aus der Zeitschrift HRVATSKI! 2/2023, 2. Ausgabe 

Vertraue dem Fluss des Lebens

Vjeruj tijeku života

Dieses Interview befindet sich hier im Blog auf Deutsch. Vergleichen Sie die kroatische und deutsche Version dieses Interviews, indem Sie die Zeitschrift HRVATSKI 2/2023 auf der Seite 54 aufschlagen.

Annika Senger ist Bloggerin und Gründerin des Reiseportals Kroatien-Liebe. Seit 2020 reist sei als digitale Nomadin von Land zu Land. Sie erkundet gerne Kroatien, fotografiert Landschaften und unternimmt lange Wanderungen. Sie können ihre wunderschönen Bilder in den Artikeln auf ihrem Blog bewundern. Neben dem Bloggen ist ihre Leidenschaft die Musik. Sie ist immer mit einer kleinen Gitarre unterwegs, auf der sie Songs komponiert un diese dann auf YouTube veröffentlicht.

Foto: Annika Senger beim Wandern im Velebit.

Wie ist es überall (irgendwo) arbeiten zu können?

Diese Möglichkeit bietet mir mehr Freiheiten als während der Zeit, als ich noch sesshaft war. Da ich freiberuflich arbeite, kann ich mir meine Arbeitszeiten selbst einteilen und das ganz normale Alltagsleben mit Erkundungen der Gegend, wo ich gerade bin, verbinden. Den Urlaub wie früher gibt es bei mir nicht mehr, weil ich ja jeden Monat woanders bin.

Wie hast du dich entschieden, digitale Nomadin zu werden?

Das war für mich ein sehr langer Prozess, der ungefähr ab 2015 in mir zu reifen begann. Auf jeden Fall wollte ich weg aus meinem alten Leben in Berlin und war so oft auf Reisen, wie es mir mein Arbeitsleben erlaubte. Irgendetwas blockierte mich. Wahrscheinlich die Angst, alte Sicherheiten aufzugeben. Als es 2020 in Berlin aus politischen Gründen immer ungemütlicher wurde, stand für mich im Sommer des Jahres fest: Ich möchte Deutschland permanent verlassen. Ich hatte auch kurz vorher einen Angestelltenjob verloren, weil mein Vertrag nicht mehr verlängert wurde. Es gab also nichts mehr, was mich in Berlin hielt.

Wie funktioniert deine Geschäftsidee? Arbeiten und reisen?

Ich brauche nur einen Computer und eine Internetverbindung, um auf Reisen zu arbeiten. Das heißt, ich schreibe Content für unterschiedliche Internetseiten und für meine eigenen Blogs. Sie heißen Kroatien-Liebe.com, Reise-Liebe.com und Katzen-Liebe.net. Von Frühjahr bis Herbst vermittele ich über Kroatien-Liebe auch Ausflüge und kurze Segeltörns in Kroatien. Sehr beliebt sind zum Beispiel die Panorama-Flüge ab Zadar. Sie werden häufig als Geburtstags- und Hochzeitsgeschenke gebucht.

Wie wählst du den Ort aus, an dem du arbeiten wirst?

Ich lege großen Wert darauf, dass in der Wohnung an meinem Aufenthaltsort eine gute Internetverbindung zur Verfügung steht. So kann ich ganz privat arbeiten, wann ich will. In Herceg Novi in Montenegro habe ich als Alternative mal ein Coworking Space ausprobiert. Das hat den Vorteil, dass man unter Menschen ist. Ich benötige allerdings Ruhe, um mich zu konzentrieren. In Großraumbüros oder lauten Cafés fühle ich mich unwohl.

Foto: Zadar, Unsplash

Wie wählst du die Orte aus, an die du reist?

Ich lasse mich von meiner Intuition leiten. Wenn ich mich an einem Ort besonders wohlfühle, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ich dort öfters hinreise. Das fühlt sich dann an wie nach Hause zu kommen, obwohl ich momentan kein festes Zuhause habe.

Wie ist es, den Stil eines digitalen Nomaden zu leben?

Es gibt keinen pauschalen Stil, der für alle digitalen Nomaden gleichermaßen gilt. Ich kenne Leute, die reisen ständig mit ihrem Camper von Ort zu Ort. Oder sie machen grundsätzlich Coliving-Projekte, um immer in Gesellschaft anderer digitaler Nomaden zu sein. Ich dagegen bin mindestens einen Monat am Stück an einem Ort und miete mir dort eine Wohnung, wo ich ein fast alltägliches Leben führe. Morgens arbeite ich meist, dann koche ich mir was zu essen und nachmittags erkunde ich die Gegend und/oder widme mich kreativen Projekten wie meiner Musik. In meinem Fall ist das digitale Nomadentum ein fließender Übergang zwischen Alltag und Urlaub.

Was liebst/magst du an deiner Wohnortsunabhängigkeit? Was ist dir am liebsten?

Ich liebe die Freiheit, immer wieder neu entscheiden zu können, wo ich als nächstes leben möchte. Nachdem ich viel zu lange in Berlin war und es nicht wirklich mochte, ist das ein Riesenvorteil.

Welchen Herausforderungen musst du dich stellen?

Ich habe kein Auto und schweres Gepäck. Am Monatsende nervt es mich jedes Mal, meinen Koffer zu packen und die Sachen zum nächsten Wohnort zu schaffen. Sobald ich angekommen bin, empfinde ich es als Erleichterung, den Koffer wieder auszupacken. Außerdem ist es schwer, dauerhafte Freundschaften zu knüpfen, wenn man nur einen Monat an einem Ort ist. Und häufig treffe ich herrenlose Katzen, zum Beispiel in Kroatien und Montenegro. Ich füttere sie und schließe sie in mein Herz. Dann bricht es mir immer das Herz, sie wieder zu verlassen. Das ist schwer!

Welche Orte ( Städte, Ortschaften, Dörfer) in Kroatien eignen sich deiner Erfahrung nach am besten für digitale Nomaden?

Am besten eignen sich Orte mit einer guten Infrastruktur, zum Beispiel Zagreb, Zadar, Split oder Dubrovnik. Es gibt dort auch verschiedene Facebook-Gruppen für digitale Nomaden. Kleinere Städte wie Makarska oder Korčula kommen ebenfalls infrage. Meiden würde ich sehr kleine Dörfer, vor allem wenn man in den Winter-Monaten Zeit in Kroatien verbringt. Dann ist dort einfach nichts los!

Foto: Split, Unsplash

Was war bisher deine größte Herausforderung?

Loslassen! Jeden Monat aufs Neue. Ich kann nichts und niemanden mitnehmen, nur Erinnerungen, Fotos, Videos und Blogartikel, die ich für meine drei Seiten Kroatien-Liebe, Reise-Liebe und Katzen-Liebe schreibe.

Welche Ausrüstung verwendest du für deine Arbeit ( Rechner, Laptop, Tablet, Kamera…) und welche Ausrüstung kannst du anderen digitalen Nomaden empfehlen?

Für meine tägliche Arbeit verwende ich ein MacBook Pro, an dem ich auch Videos schneide. Ansonsten gebrauche ich häufig eine GoPro Action Cam und eine Kamera von Sony, mit der man auch Videos aufnehmen kann. Ich denke, dass jeder digitale Nomade individuelle Ansprüche an seine Ausrüstung stellt.

Welche wichtige Lektion hast du in deinem Leben als digitale Nomadin gelernt?

Dem Fluss des Lebens zu vertrauen und sich von ihm führen zu lassen.

Was sind deine Pläne für die Zukunft?

Weiterhin neue Orte entdecken, meine Fähigkeiten auf der Gitarre verbessern und Songs schreiben. Außerdem möchte ich meine drei Blogs noch stärker in die Sichtbarkeit bringen und mich mit gleichgesinnten Menschen verbinden.

Was möchtest du uns noch am Ende sagen (ausrichten)?

Wenn du von einem Leben als digitaler Nomade träumst, erfüll dir den Traum. Es gibt keine Sicherheiten im Leben, nur das Vertrauen, dass am Ende alles gut ist.

Foto, Dubrovnik, Unsplash

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